Leseprobe "Die Rosenkranzmorde"
Prolog
Samstag, 15. Januar 2022
Mara lachte, als sie wieder in die Cessna Skyhawk stieg. Markus und sie hatten einen tollen Tag mit ihren amerikanischen Freunden auf der Wasserkuppe verbracht und wollten nun die Heimreise antreten. Sue stopfte die prall gefüllten Tüten aus den verschiedenen Läden hinter ihren Sitz. Gefühlt hatte sie den Rhönwild Laden komplett leer gekauft. Markus zwinkerte Mara zu, als er sich auf den Pilotensitz schwang und Greg neben ihm Platz nahm. Er startete den Motor und nach Freigabe durch den Tower begaben sie sich auf die Startbahn. Mara schloss für einen Moment die Augen und genoss den Augenblick, als die Cessna die Rollbahn verließ und das Gefühl von Freiheit ihr in den Magen fuhr. Dann stieg das Sportflugzeug immer weiter in den klaren Winterhimmel.
In ihre dicke Pilotenjacke eingemummelt sah Mara aus dem Fenster und genoss den Blick auf die verschneite Landschaft. Von hier oben sah alles noch ein wenig märchenhafter aus. Der Schnee glitzerte und funkelte in der Sonne und zwischen den Bäumen entdeckte sie eine Rotte Wildschweine. Sie stupste Sue an, um ihr diese zu zeigen.
Dann, sie hatten etwa die Hälfte der Strecke geschafft, runzelte sie die Stirn als ihr plötzlich ein
merkwürdiger Geruch in die Nase stieg. Aufmerksam sah sie sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Der Geruch wurde jedoch immer intensiver und auf einmal erscholl aus dem Cockpit ein Warnton.
„Markus, was ...?“
Doch bevor er antworten konnte, senkte sich die Nase der Skyhawk unvermittelt steil nach unten, so das Mara in den Gurt gedrückt wurde. Geschockt schnappte sie nach Luft, als sie den Rauch gewahrte, der nun vom Motor aus ins Cockpit drang. Eine Hand krallte sich in ihren Unterarm und sie hörte die panischen Rufe ihrer Freundin.
Hilflos musste sie zusehen, wie ihr Freund verzweifelt versuchte, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bringen und hörte, wie Greg einen Notruf absetzte. Mit Schreck geweiteten Augen sah sie die weißen Baumwipfel auf sich zu kommen, hörte wie Holz brach, Metall kreischte, dann durchfuhr sie ein scharfer Schmerz und es wurde dunkel um sie.
Eine leise, ihr bekannte Stimme drang an ihr Ohr, als sie langsam die Augen öffnete. Ihr Blick fiel auf eine mit weißen Strukturplatten abgehängte Decke. Mara wandte langsam den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und entdeckte ihre Mutter, die in Schutzkleidung auf einem Plastikstuhl saß und ihr aus einem ihrer Lieblingsbücher vorlas.
Mara wollte sie ansprechen, doch ihre Stimme wollte ihr noch nicht gehorchen. Nach einem zweiten
Versuch kam ihr ein leises 'Mamaí' über die Lippen. Überrascht sah ihre Mutter auf und Mara sah, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten.
„Mara“, flüsterte sie, „endlich.“
Mara runzelte die Stirn. Was sollte das heißen? Doch ihr Kopf ließ noch kein Nachdenken zu. Erschöpft schloss sie wieder die Augen.
Als Mara das nächste Mal die Augen öffnete, hatte sie zwar immer noch Kopfschmerzen, aber sie war etwas wacher und ihr Kopf versuchte, die Lücke zwischen dem Flug und ihrem aktuellen Aufenthaltsort zu füllen. Doch sie konnte sich nicht erinnern.
Markus? Was war mit Markus? Warum war er nicht hier?
Ihre Augen suchten den Bettrand ab und erneut sah sie ihre Mutter an ihrem Bett sitzen. Diese ergriff nun ihre Hand. Leise fragte Mara: „Was ist passiert?“
Ihre Mutter seufzte und begann stockend zu erzählen: „A stór, ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll. ... Erinnerst du dich an deinen Ausflug mit Markus, Sue und Greg auf der Wasserkuppe?“
Mara nickte leicht.
„Auf dem Rückflug gab es Probleme mit eurem Flugzeug, Markus konnte noch einen Notruf absetzen, doch dann seid ihr in der Nähe von Herbstein abgestürzt.“
Entsetzt wurden Maras Augen groß.
Ob ...? Nein, nein, das durfte nicht wahr sein.
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern: „Markus?“
Ihre Mutter schüttelte traurig den Kopf. „Es hat außer dir niemand überlebt und auch dein Leben hing am seidenen Faden. Du hast Monate im Koma gelegen und es war ungewiss, ob du jemals wieder wach wirst.“
Die Augen ihrer Mutter waren feucht geworden und diese drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Maras Herz fühlte sich an, als würde es zerspringen, es schnürte ihr den Hals zu und Tränen schossen in ihre Augen.
Markus? Tot? Alles in ihr schrie.
Vorsichtig setzte sich ihre Mutter auf den Bettrand und zog sie in ihre Arme und strich ihr sanft über den Rücken. „A chroí, ich muss dir noch etwas sagen.“
Jetzt liefen ihrer Mutter gleichermaßen die Tränen über die Wangen.
„Deine Oma ist vor ein paar Tagen ebenfalls eingeschlafen. Ihr Herz ist in den letzten Monaten immer schwächer geworden und die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun.“
Kurz sah Mara auf, traurig sah ihre Mutter sie an, und hielt sie noch fester als vorher. Mara verbarg ihr Gesicht an der Brust ihrer Mutter und schluchzte auf.
Kapitel 1
Samstag, 22. Juli 2023
Mara stellte den angemieteten Transporter im Hof vor der Scheune ab und ging durch die Gartenpforte und den verwilderten Vorgarten auf das kleine Fachwerkhaus des ehemaligen Bauernhofes zu. Dann zog sie den Schlüssel aus der Hosentasche und schloss die Haustür auf.
Abgestandene Luft schlug ihr entgegen und sie ging erst einmal durch alle Räume und öffnete die Fenster. Viel Platz gab es in dem Häuschen nicht. Unten einen Flur mit der Garderobe, ein Wohnzimmer, die Küche, eine kleine Speisekammer unter der Treppe und eine Gästetoilette. Im oberen Stockwerk gab es ebenfalls nur zwei Räume und das Bad.
Wehmütig stand Mara nun in der Küche mit dem alten Holzherd und dem antiken Küchenschrank, in dem sich immer noch das Porzellan ihrer Großmutter befand.
Vor über einem Jahr war ihre Oma gestorben und Mara konnte nicht einmal zu ihrer Beerdigung gehen, da sie zu diesem Zeitpunkt selbst noch im Krankenhaus gelegen hatte.
Mara rieb sich die Narbe an ihrer Schläfe und versuchte die Kopfschmerzen, die von ihr Besitz ergreifen wollten, zu ignorieren.
Damit ihr ihre roten, langen Locken nicht im Gesicht hingen, fasste sie sie mit ein paar Handgriffen zu einem lockeren Dutt zusammen und ging zurück zum Transporter der Autovermietung, um ihre Sachen auszuladen. Viel hatte sie nicht mitgenommen. Vor dem schicksalhaften Absturz war sie gerade erst bei Markus eingezogen und hatte somit ihre Wohnung so gut wie aufgelöst. Das meiste waren ein paar Erinnerungstücke, Kleidung und Papiere. Und ihr Motorrad. Mit den Kisten war Mara demnach schnell fertig. Dann schob sie ihre BMW vorsichtig die Rampe hinunter und stellte sie weiter hinten im Hof in der alten Holzhalle ab.
Die Typen von der Autovermietung müssten jeden Moment kommen, um den Transporter wieder abzuholen. Schnell checkte Mara noch einmal, ob sie auch alles ausgeladen hatte. Zwanzig Minuten später war der Hof wieder verwaist und Mara schob das Tor zu.
Im Haus starrte sie auf die Kisten und die noch mit Betttüchern abgedeckten Möbel. Dann riss sie sich los und begann im Obergeschoss die Möbel von den Tüchern zu befreien. Hier oben waren es nicht viele.
Das Bett, das Vertiko, der Schminktisch und der große Kleiderschrank. Das zweite Zimmer war komplett leer, hier wollte Mara sich ihr Büro einrichten. Einen Internetanschluss hatte sie schon beantragt und der Techniker wollte Montag früh kommen, bevor Mara dann ins Institut musste. Mara inspizierte noch das Bad und sah nach, ob das Wasser schon wieder heiß wurde. Brav tat der Durchlauferhitzer seinen Job. Zufrieden drehte Mara das Wasser wieder ab.
Unten wieder angekommen, nahm sie sich das Wohnzimmer mit den beiden großen, hellen Sofas, dem alten Couchtisch aus hellem Kirschholz, den dazugehörigen Schrank und die Kommode vor und bald war alles gelüftet und bereit, genutzt zu werden.
Sie wollte sich gerade den Kartons widmen und anfangen, diese auszuräumen, als ihr Handy zu klingeln begann.
„Dia duit mamaí4. Wie geht es euch?“
„Dia duit Mara. Uns geht es gut. Dein Vater ist angeln gefahren, ich soll dich aber lieb grüßen. Bist du gut in Stürzelberg angekommen und hast du alles, was du brauchst?“
„Ja, danke Mama, ich bin bereits am Auspacken.“
„Tut mir leid, dass wir nicht da sind, um dich zu unterstützen. Aber das mit dem Streik konnte ja keiner vorhersehen.“
„Ist nicht so schlimm, ich komme schon klar.“ „Trotzdem, ich hätte dich gern unterstützt.“
Mara schluckte und ihre Stimme wurde leiser. „Du
hast das letzte Jahr genug für mich getan.“
„Ach Mara, hör doch auf. Du bist meine Tochter und ich bin für dich da. Wann hast du deinen ersten Arbeitstag?“
„Am Montag, ich kann mich also am Wochenende hier noch ein bisschen vorher einleben.“
„Das klingt gut. Ich habe dich lieb Mara.“
„Ich dich auch Mama.“
Nacheinander legten sie auf. Mara war schon ein
wenig traurig, dass ihre Eltern gerade nicht da waren, doch sie hatten sich vor einigen Jahren entschieden, nach Galway zu ziehen und ihr Flug nach Düsseldorf war aufgrund eines Streiks gecancelt worden.
Kurz musste Mara schmunzeln, als ihr einfiel, wie ihre Eltern sich vor sechsunddreißig Jahren kennengelernt hatten. Auch das hatte nämlich mit einem Flug zu tun, nur dass ihre Mutter sich am falschen Schalter ihr Flugticket geholt hatte und aus Versehen nach Dublin anstatt nach London geflogen war. Maras Dad zog sie noch heute damit auf. In Dublin war Maras Mutter Gabriele dann mit ihren britischen Pfund aufgeschmissen gewesen und konnte sich nicht mal etwas zu essen kaufen. Sie hatte mit ihrem gebrochenen Englisch verzweifelt versucht, an einer der Wechselstuben das Geld umzutauschen. Dort war sie dann Liam Sheridan begegnet, der gerade von einer Dienstreise aus Deutschland zurückkam und ihr unter die Arme gegriffen hatte. Dankbar lud Gabriele Liam zum Essen ein und als dieser seine Heimreise nach Galway fortführte, fuhr sie spontan mit.
Mit diesem Gedanken steckte Mara ihr Handy wieder in die hintere Hosentasche und wandte sich ihren Kartons zu. Die Kleiderkartons brachte sie nach oben, ebenso die Kartons für das Büro mit ihren Büchern und anderen Unterlagen. Sie würde sich die Tage noch um Büromöbel kümmern müssen.
Als sie im Schlafzimmer den Kleiderschrank öffnete, kam ihr ein leichter Duft nach Lavendel entgegen und gleich sah sie wieder ihre Oma vor sich. Mara räumte ihre Sachen ein und bezog sich noch das Bett frisch. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer, in dem nur ein Karton stand, den sie dann jetzt ebenfalls öffnete. Kurz stockte sie, strich sanft über das Bild von Markus und stellte es dann auf die Kommode zu den anderen Familienbildern, die unter dem Bettlaken zum Vorschein gekommen waren. Dabei fiel ihr Blick auf ihr eigenes Bild, vor dem eine ausgebrannte Kerze aus einer hiesigen Kirche stand. Mara musste schlucken, doch bevor sie weiter ins Grübeln kam, klingelte ihr Handy erneut.
„Sheridan?“, meldete sie sich ganz in Gedanken, ohne auf das Display geschaut zu haben.
„Doktor Mara Sheridan?“
„Jaa?“
„Ah gut. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Hier
spricht Johannes Richter.“
„Oh, Doktor Richter.“ Mara rutschte das Herz in die
Hose, was wollte ihr zukünftiger Boss denn jetzt von ihr?
„Doktor Sheridan würde es Ihnen etwas ausmachen, bereits heute mit einzusteigen? Es gibt einen Leichenfund und der Kollege Tillreuther hat leider einen Magen-Darm Infekt.“
„Ähm, ja, natürlich kann ich machen ...“
„Sehr gut, ich schicke Ihnen die Adresse.“
Kurz nachdem sie aufgelegt hatten, kündigte ihr
Mobiltelefon eine Nachricht an. Erstaunt sah sie sich die Adresse in Düsseldorf an. Ein Kloster? Mara ging nach oben und holte ihren Arbeitsrucksack, kurz darauf war sie auf dem Weg.
Am Kloster angekommen, bahnte sie sich einen Weg durch die Schaulustigen und stellte dann ihre BMW ab. Sie verstaute ihren Helm im Topcase und ging dann am Krankenwagen vorbei auf die Polizisten zu, die am Eingang des Klosters standen.
„Dr. Mara Sheridan, Rechtsmedizin“, stellte sie sich vor.
Erstaunt musterten die Polizisten ihren Aufzug. Einer der beiden nickte dann und begleitete sie in das Gebäude.
Zusammen betraten sie die Eingangshalle, von der weitere Gänge und Türen abgingen. Der Polizist schlug den Weg geradeaus durch einen der Gänge ein. An den schweren Holztüren entdeckte Mara Schilder, die diese als Kapitelsaal und Refektorium auswiesen. Durch eine weitere Tür kamen sie ins Herz des Klosters, der Klausur, die normalerweise den Klosterbrüdern vorbehalten war. Von dem breiten Gang zweigte ein schmaler langer Flur ab, der auf beiden Seiten eine Menge weiterer Türen aufwies.
Sie näherten sich einer dieser Türen, die in diesem Moment geöffnet wurde und ein Mann, circa einen Meter fünfundachtzig mit braunen Haaren und Cargohosen kam ihnen entgegen.
Fragend zog er eine Augenbraue hoch und sein Blick blieb an Maras Motorradkluft hängen.
„Sie sind Doktor Sheridan?“
Mara nickte und hielt ihm ihre Hand zur Begrüßung hin.
„Und Sie sind?“
„Kriminalhauptkommissar Alexander Peters.“ Er ergriff ihre Hand, drückte sie kurz und nickte ihr zu.
„Hier entlang. Die Kollegen der Spurensicherung sind gleich fertig.“ Er wies in den Raum, aus dem er gerade gekommen war.
Mara trat ein, grüßte die anwesenden Kollegen und sah sich um. Sie befanden sich in der Zelle eines Mönches. Sie wirkte karg und kalt auf Mara und erinnerte sie von der Möblierung her an ein Zimmer in der Jugendherberge.
Ein Bett, ein kleiner Tisch mit Stuhl, ein Schrank, ein Waschbecken, ein Wandregal und ein großes Kreuz waren alles, was sich darin befand. Mara konnte bis auf ein paar Fotos auf dem kleinen Regal keine persönlichen Dinge ausmachen.
Überhaupt wirkte das Zimmer unnatürlich aufgeräumt, sogar der Mann in der Kutte, der auf dem kleinen Flickenteppich am Boden lag.
Er lag auf dem Rücken, die Kutte gerichtet, die Hände auf der Brust gefaltet und auf ihm drapiert lag ein antiker Rosenkranz. Mara warf dem Kommissar einen fragenden Blick zu. Er nickte bestätigend: „Der Mönch, der den Toten gefunden hat, sagt, dass Bruder Elias“, er wies auf den Mann auf dem Boden, „bereits so dort gelegen hat. Ich wollte gern, dass Sie das auch sehen, und habe die Kollegen angewiesen, den Toten erst einmal nicht zu bewegen.“
Mara nickte und betrachtete den Toten eingehender, auf den ersten Blick konnte sie keine äußerlichen Verletzungen entdecken.
Einer der Kriminaltechniker sah sie und Peters fragend an. „Können wir den Rosenkranz dann jetzt eintüten und die Leiche bewegen?“
Der Polizist stimmte zu und der Techniker steckte das Objekt in einen durchsichtigen Asservaten Beutel.
„Habt ihr sonst etwas gefunden?“, fragend sah der Kriminalhauptkommissar die Kollegen an.
„Leider nicht viel. Es sieht aus, als hätte hier jemand nach dem Tod des Ordensbruders ordentlich sauber gemacht. Auf dem Bett waren ein paar Haare und Hautschuppen, aber im restlichen Raum kaum eine Fluse.“
„Sehr merkwürdig“, nachdenklich kratzte Peters sich am Kopf.
Die beiden Kollegen verabschiedeten sich kurz darauf und Mara war mit dem Kripobeamten und dem Toten allein in der Zelle.
Sie zog ihre Motorradjacke aus und drückte diese dem erstaunten Polizisten in die Hand. Dann band sie sich ihre Haare zusammen, zog ein paar Handschuhe über und hockte sich neben den Mönch. Mit beiden Händen tastete sie als Erstes den Kopf ab und untersuchte ihn auf Wunden oder Deformationen, wie zum Beispiel von einem Sturz. Ihr Gesicht näherte sich dabei dem Mund und der Nase des Toten. Er hatte etwas Mundgeruch, der jedoch lediglich auf schlechte Mundhygiene schließen ließ. Als Mara den Mund des Bruders etwas öffnete, bestätigte der gelbe Belag auf seinen Zähnen dies. Da sie sowieso bereits am Mund war, untersuchte sie diesen gleich mit ihrer kleinen Taschenlampe nach Fremdkörpern und sah sich die Schleimhäute an, danach leuchtete sie dem Klosterbruder in die Augen und Ohren. Bisher war alles unauffällig, keine offensichtlichen Wunden, keine Einblutungen in Augen oder an den Schleimhäuten.
Mara spürte den Blick des Kommissars in ihrem Rücken. Ob er über ihren langen Krankenhausaufenthalt und die Reha Bescheid wusste? Sie hatte seinen Blick sehr wohl bemerkt, der kurz an ihrer Narbe im Gesicht hängen geblieben war. Aber woher sollte er das wissen? Sie waren sich soeben das erste Mal begegnet. Innerlich schalt sie sich: ‚Hör auf, überall Gespenster zu sehen, du bist neu hier, natürlich schaut er, wie du arbeitest. Lass das Grübeln und konzentriere dich auf deine Arbeit.‘
Sie atmete tief ein, sie würde ihnen schon beweisen, dass sie nichts verlernt hatte. Vorsichtig schob sie den Ärmel der Mönchskutte etwas nach oben. Der Arm verfärbte sich auf der Unterseite bereits bläulich. Mit ihrem Finger fuhr Mara über die Verfärbungen, die unter dem leichten Druck verschwanden. Dann versuchte sie den Arm zu bewegen, was erschwert, aber durchaus noch möglich war. Sorgfältig untersuchte sie die Extremitäten und soweit bekleidet möglich, den Körper nach Verletzungen oder auch Hämatomen.
Dann richtete sie sich langsam wieder auf und sah Peters an, sie versuchte in seinen Augen etwas zu lesen, doch sie wirkten gänzlich verschlossen, eher abweisend auf sie. Ihr Blick wanderte zum Toten zurück, als sie zu sprechen begann: „Den Todeszeitpunkt kann ich aufgrund der leicht wegdrückbaren Totenflecken und der beginnenden Leichenstarre auf vor zwei bis vier Stunden eingrenzen. Zur Todesursache ...“, kurz hielt Mara inne und runzelte die Stirn, „kann ich ohne Autopsie leider nichts sagen. Aufgrund des sauberen Umfeldes des Toten, keine Tablettenpackung oder andere Hinweise auf einen Suizid könnte auch eine Fremdeinwirkung durch Gift vorliegen. Ich würde empfehlen, die Autopsie zügig durchführen zu lassen, denn je nach Wirkstoff ist dieser nur kurze Zeit nachweisbar.“
Mit umwölkter Stirn nickte der Kommissar und zog sein Telefon aus der Tasche. Nach einem kurzen Gespräch legte er wieder auf und wandte sich an die Rechtsmedizinerin.
„Dr. Stresow informiert Ihren Chef über die Dringlichkeit. Sie sollten demnach in Kürze von Dr. Richter hören.“
„Alles klar, dann mache ich mich schon mal auf den Weg ins Institut.“
Sie packte ihre Sachen zusammen, griff nach ihrer Jacke, nickte dem Kriminalhauptkommissar noch einmal ernst zu und verließ das Kloster. Kurz fröstelte es sie. Es war an der Zeit der Welt zu beweisen, dass sie es immer noch konnte. Mara zog den Helm auf, startete die Maschine und fuhr zur Uniklinik. Dort würde sie alles für das Eintreffen der Leiche vorbereiten.
Leseprobe "Mord im Café"
Kapitel 1
Es wurde Herbst in Deutschland und das Laub veränderte langsam seine Farbe. Einige der Bäume trugen bereits ein goldgelbes Kleid, andere waren noch grün, so als wollten sie dem Herbst und Winter trotzen.
Mara stand mit einer dampfenden Tasse Kaffee an der Hintertür ihres alten Bauernhauses und beobachtete das Eichhörnchen, das sich immer wieder auf die Terrasse wagte, um sich aus der Schale eine Nuss zu klauen, diese in den Pfoten drehte und wendete, um kurz darauf wieder in den Tiefen des Gartens zu verschwinden. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht, als sie von hinten umfasst wurde. Ihr Freund Alex schob ihre langen, kupferroten Locken zur Seite und küsste liebevoll ihren Hals. „Guten Morgen, Miss Marple.“
„Guten Morgen, Herr Wachtmeister.“
Sie hörte, wie er schnuppernd die Luft einzog. „Hmm, der Kaffee riecht gut.“
Ohne sich umzudrehen, hielt sie ihm ihre Tasse hin, die er entgegennahm, um einen Schluck zu trinken. Mit einem Arm hielt er sie immer noch fest.
Er reichte ihr das Heißgetränk zurück. „Hast du schon fertig gepackt?“ Mara nahm den letzten Schluck aus ihrem Kaffeebecher, drehte sich um und gab ihm einen Kuss. „Ja, ist alles schon in den Taschen. Ich freue mich riesig, die Lady endlich einzuweihen.“
„Und ich mich erst. Echt klasse, dass Theo mir sein Motorrad leiht.“
„Und dir trotz Fall freigibt.“
„Ja, das auch.“
Alex runzelte die Stirn und Mara ärgerte sich, dass sie das Thema überhaupt erwähnt hatte. Er arbeitete als Kriminalhauptkommissar und weil er seinen Partner Chris mitten in einem Fall allein ließ, plagte ihn das schlechte Gewissen, auch wenn es sich genau genommen nur um zwei Tage handelte. Sie hatte es da etwas einfacher. In der Zeit, wo sie nun nicht da war, würde eine Ärztin aus der Chirurgie ihren Kollegen in der Rechtsmedizin bei dringenden Obduktionen unterstützen. Schnell schob Mara die Gedanken beiseite und strahlte Alex mit ihren blauen Augen an. „Wollen wir los?“
Er legte den Kopf schief und ein Grinsen umspielte seinen Mund. „Hm, ich hätte da noch eine andere Idee …“ Er begegnete ihrem entrüsteten Blick und lachte leise. „Ja, wir können los.“ Schnell drückte er ihr noch einen Kuss auf die Lippen, dann löste er sich von ihr.
Mit ihren Taschen und Helmen bepackt, verließen sie das Haus und befestigten die Hecktaschen auf den beiden BMWs, die bereits im Hof vollgetankt auf sie warteten. Mara war schon gespannt, wo es wohl hinging. Alex hatte die Tour geplant und ein Riesengeheimnis daraus gemacht. Trotzdem hatte es Mara einige Mühen gekostet, zusammen mit Chris und seinem Chef Theo, ihren Freund dazu zu bewegen die geplante Tour trotz des neuen Falls mit ihr durchzuziehen. Sie hatten sich so lange darauf gefreut und mussten schon zwei Mal verschieben, weil ihre neue BMW nicht geliefert worden war. Mara zog den Reißverschluss ihrer Motorradjacke zu und setzte ihren Helm auf. Sie warf noch mal einen Blick auf ihr Haus und überlegte kurz, ob sie auch alles verschlossen hatte, dann schwang sie das Bein über den Sattel, setzte sich und startete die Maschine. Auch Alex saß inzwischen auf der BMW seines Chefs und Mara hörte, wie sein Motor aufheulte. Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf. „Spielkind“, murmelte sie. Langsam fuhren sie vom Hof. Mara stieg noch einmal ab, um das Hoftor zuzuschieben, dann brausten sie davon.
Leseprobe "Zweimal tot ist einmal zu viel"
Prolog
Er hätte doch das Bier nicht trinken sollen. Seit fast zwei Jahren achtete er penibel darauf, immer nüchtern und klar im Kopf zu sein, aber heute war er schwach geworden, als sein Tischpartner ein Alt bestellt hatte. Es war bei dem einen geblieben. Trotzdem fühlte er sich so beschwipst, als hätte er ein ganzes Fass allein geleert. Ver- mutlich war er Alkohol einfach nicht mehr gewöhnt.
Schwankend stieg er nun in der Lobby in den Aufzug und fuhr in den dritten Stock. Normalerweise hätte er die Treppe genommen, doch es war ihm peinlich und er hoffte, so niemandem mehr auf dem Weg zu seinem Zimmer zu begegnen. Zudem war ihm furcht- bar schwindelig und er fürchtete zu stürzen.
Taumelnd verließ er den Aufzug und tastete sich an der Wand entlang. Ihm war leicht übel und er hatte das Gefühl, dass er jeden Moment in sich zusammensacken würde. Am besten nahm er gleich noch eine kalte Dusche und trank viel Wasser, um den Alkohol aus seinem Körper zu schwemmen. An seiner Zimmertür angekommen, wollte sich erst das Türschloss nicht entsperren lassen. Dreimal sah er auf die Zimmernummer und verglich sie mit der auf der Karte. 354, er war richtig. Endlich hörte er das erlösende Signal und mit Schwung stieß er die Tür unbeholfen auf. Er schaffte es gerade noch, die Tür hinter sich zu schließen und sich aufs Bett fallen zu lassen, da wurde es schwarz um ihn.
Mühsam kämpfte sein Gehirn darum, ihn wieder ins Hier und Jetzt zu holen. Ihm war furchtbar schlecht und sein Kopf dröhnte. Er hörte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam, und endlich schaffte er es, seine Augen wieder zu öffnen. Ein Gesicht schwebte über sei- nem, erst konnte er es überhaupt nicht zuordnen, dann erkannte er die Person. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er versuchte auszu- weichen und von dem Mann wegzurücken, aber er konnte sich nicht bewegen. Er wollte schreien und um Hilfe rufen, doch nur ein Gurgeln kam aus seinem Mund. Das Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen. Der Mann sagte irgendetwas, aber die Worte kamen nicht bei ihm an. Das Gesicht verschwand und er schöpfte kurz Hoffnung, dann erschien es wieder über ihm. Zwei Hände hiel- ten ein Kabel straff gespannt und näherten sich ihm. Panisch riss er seine Augen auf, befahl seinem Körper, sich zu wehren. Seine Glied- maßen reagierten einfach nicht. Er spürte, wie sich das Kabel um seinen Hals legte und er immer schlechter Luft bekam, seine Lunge im Kampf um den letzten Sauerstoff fast zerbarst. In seinen Ohren rauschte das Blut. Es wurde still und er versank in endloser Dunkel- heit.
Kapitel 1
Dienstag, 31. Oktober
Der Wind wirbelte bunte Blätter um das alte Bauernhaus. Der bis- herige Herbst war unerwartet warm gewesen und hatte oft noch zum draußen verweilen eingeladen. Seit ein paar Tagen beherrschte eine ungemütliche Kälte das Wetter. Als Mara heimkam, feuerte sie zuerst den Kamin im Wohnzimmer an. Eine wohlige Wärme breitete sich aus. Es war bereits nach sieben Uhr abends. Während sie auf ihren Freund wartete, bereitete sie schon mal das Abendessen vor und brühte sich danach eine Tasse Tee auf.
Offiziell wohnte Alex noch nicht bei ihr, sondern lebte in einer kleinen möblierten Wohnung in einem der größeren Nachbarorte. Mittlerweile hielt er sich aber mehr bei ihr in Stürzelberg als in seiner eigenen Bude auf, andererseits sahen sie sich manchmal tagelang nicht, wenn er als Polizist wieder mitten in einem Fall steckte.
Mara saß auf der Couch und nippte an ihrem Heißgetränk, als sie den Schlüssel im Schloss der Haustür hörte. Rasch stellte sie die Tasse auf den Wohnzimmertisch und trat auf Socken in den kleinen Flur hinaus. Der Wind schien noch weiter Fahrt aufgenommen zu haben, denn als Alex das Haus betrat, wehten einige Blätter mit ihm zusammen herein. Schnell schloss er die Tür, um die Kälte und den Sturm draußen zu lassen. Seine Frisur stand in alle Richtungen ab und auf seiner Jacke glitzerten feine Tropfen vom Nieselregen. Mit den Händen fuhr er sich durch das braune Haar und streifte die Schuhe von den Füßen.
Da erblickte er Mara. Sein eben noch angespanntes Gesicht wurde weich und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Hey.“
Mara näherte sich. „Hey, ist alles okay?“
Er nickte und rieb seine Hände aneinander. „Ja, wird langsam kalt da draußen.“
Alex hängte seine Jacke an die Garderobe und folgte ihr ins warme Wohnzimmer. Dort ließ er sich auf die Couch fallen.
Sie hielt die Kanne hoch. „Tee?“
Seine Augenbraue schnellte in die Höhe. „Ich bin nicht krank.“
Mara lachte. „Darf ich Ihnen ein Geheimnis verraten, Herr Wachtmeister? Tee kann man auch trinken, wenn man nicht krank ist.“
Gespielt überrascht sah er sie an: „Im Ernst? ‒ Aber nein, danke.“
Sie stellte die Kanne wieder ab und kaum hatte diese den Unter- setzer berührt, zog Alex Mara zu sich auf die Couch und nahm sie in den Arm.
„Das hier brauche ich jetzt.“ Er drückte ihr einen Kuss auf den rot gelockten Scheitel und sie kuschelte sich enger an ihn. Beide starrten eine Weile in die tanzenden Flammen des offenen Kamins.
Plötzlich sog Alex die Luft heftiger durch die Nase ein. „Was riecht denn hier so?“
Mara sprang auf. „Verdammt, mein Auflauf!“, rief sie und rannte in die Küche.
Langsam folgte Alex ihr und sah gerade noch, wie sie mit dem verkohlten Auflauf aus der Terrassentür eilte. Die gesamte Küche war verqualmt und er öffnete erst einmal die Fenster, damit der Rauch abziehen konnte. Langsam kam Mara wieder zurück in die Küche, die Auflaufform mit den verkohlten Resten in der Hand.
„Entschuldige, damit ist unser Abendessen wohl gestorben.“
Er grinste: „Ich hoffe doch, es war vorher schon tot.“
„Ha ha, sehr witzig“, erwiderte sie mürrisch und funkelte ihn an.
„Hey, komm her.“ Er zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ist doch nicht so schlimm. Dann bestellen wir uns halt etwas.“
Alex ließ sie wieder los und zog eine der Schubladen des alten Küchenbuffets auf. Dann hielt er die Speisekarten der Lieferdienste in die Höhe. „Thai, Pizza, Indisch? Oder soll ich uns flott einen Dö- ner holen?“
Immer noch geknickt zuckte sie mit den Schultern. „Mir egal, such du etwas aus.“
Verschmitzt betrachtete er sie von der Seite. „Hm, ich glaube, ich weiß was da hilft.“
Er zog sein Telefon hervor und wählte die Nummer der Pizzeria und bestellte zwei Pizzen und für jeden eine Portion Tiramisu als Nachtisch. Nachdem er aufgelegt hatte, hob er mit einem Finger ih- ren Kopf etwas an und gab ihr einen Kuss auf die Nase. „Besser?“
Sie schüttelte den Kopf.
Er gab ihr erneut einen Kuss, diesmal auf den Mund. „Jetzt bes- ser?“
Wieder schüttelte sie den Kopf, doch ein leichtes Lächeln um- spielte bereits ihren Mund. Er zog sie mit beiden Armen in eine Um- armung, senkte seine Lippen auf ihre und gab ihr einen langen, lie- bevollen Kuss.
„Wenn du so weiter machst, brauchen wir gleich keine Pizza mehr“, wisperte sie an seinen Lippen.
„Da könntest du recht haben.“
Erneut fanden sich ihre Lippen und sie vergaßen ein wenig die Zeit.
Kurz darauf läutete es an der Tür.
Alex löste sich fast widerstrebend von Mara. „Eins muss man de- nen ja lassen, flott sind sie.“
Er eilte zur Tür, um das Abendessen in Empfang zu nehmen.
Ein paar Minuten später saßen sie wieder vor dem warmen Ka- min, der Fernseher lief und genüsslich verspeisten sie die Pizzen. Gesättigt klappten sie dann ihre Kartons wieder zu.
Alex wandte sich ihr zu. „Hm, sag mal, wo waren wir gerade als der Pizzabote geklingelt hat?“
„In der Küche?“
„Jaaa, auch.“
Er lehnte sich zu ihr hinüber und begann liebevoll an ihrem Ohr zu knabbern.
Mara schmunzelte. „Hast du noch nicht genug gegessen?“ Sie reichte ihm ein Tiramisu. „Hier, dein Nachtisch.“
„Ich denke, ich nehme einen anderen Nachtisch.“
Sein Mund wanderte sanft küssend ihren Hals hinab und seine Hände schoben sich gefühlvoll unter ihren Pullover. Dann warf er sie auf der Couch um und sein Mund suchte den ihren. Nicht lange und bald lag ihre Kleidung verstreut im ganzen Zimmer.
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